Aktuelles
Ein halbes Jahrhundert Weltläden
„Erfunden haben ihn die Amerikaner. Importiert die Holländer. Aber perfektioniert die Schwaben. In Stuttgart eröffnete in der Blumenstraße vor 50 Jahren der erste Weltladen in Deutschland.“
Die Siebziger Jahre waren eine Zeit des Umbruchs: Studentenbewegung und RAF in Deutschland, Hungersnot in Biafra, Vietnamkrieg, Unabhängigkeitsbestrebungen in Afrika, revolutionäre Unruhen in Nicaragua und anderswo.
Alte Wahrheiten gerieten ins Wanken: „Entwicklungshilfe“ durch große Konzerne wurde in Frage gestellt, in sogenannten „Entwicklungsländern“ entstand ein neues Selbstbewusstsein, einige katholische Priester unterstützten gar als Befreiungstheologen revolutionäre Bewegungen in Lateinamerika und deutsche Studentinnen und Studenten machten sich auf nach Nicaragua zur Kaffeeernte.
Besonders die große Hungersnot in Biafra bewegte die Menschen, besonders, nachdem der „Stern“ einen groß aufgemachten Artikel mit bewegenden Fotos herausgebracht hatte. (Zur Erinnerung: es gab noch lange kein Internet und keine sozialen Medien.) Die Kirchen organisierten große Hilfsaktionen, aber viele wollten nicht bloß spenden und suchten den Kontakt mit dem Weltmarkt-Laden in Stuttgart.
Dieser war aus einer privaten Initiative des Backnanger Ehepaars Margret und Frieder Müller mit Kontakten zu Entwicklungshelfern entstanden. Sie wollten „eine Welt schaffen, die tragbar, sinnvoll und gerecht ist“. Nach einiger Zeit „kamen die Müllers in Kontakt mit Annemarie Feldtkeller, Berthold Burkhardt und Traude Rebmann. Man fand die Räume an der Blumenstraße in der Innenstadt, gründete die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt und eröffnete 1973 den Weltmarkt-Laden.“
Dieser wurde alsbald zum Treffpunkt der politisierten jungen Leute. Dort wurden auch die Ideen entwickelt, wie der Handel gerecht, mit fairen Preisen und auf Augenhöhe mit den Produzentinnen und Produzenten werden könnte. So schob die Stuttgarter Gruppe die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft Dritte-Welt-Läden an und daraus entwickelte sich wiederum die GEPA, die auch unseren Kundinnen und Kunden wohlbekannt ist.
Mittlerweile sind unter dem Weltladen-Dachverband zahlreiche Handelsgesellschaften dazu gekommen, die nach den Kriterien des Dachverbands arbeiten, die für alle Akteure im Fairen Handel – ProduzentInnen, Importeure, Weltläden und Fair-Handels-Gruppen – gelten:
Sozial- und Umweltverträglichkeit, Transparenz, Demokratische Organisationsform, Not-for-Profit-Ausrichtung, Informations- und Bildungsarbeit und Kontinuität
Oder: „Wenn ihr uns gerechte Preise zahlt, könnt ihr eure Almosen behalten.“ brachte es Dom Hélder Câmara, brasilianischer Erzbischof und Befreiungstheologe auf den Punkt.
Seit 1998 ist die Anerkennung der Konvention Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Weltladen-Dachverband. Der Weltladen Flein-Talheim war 14 Jahre als Aktionsgruppe der GEPA tätig und ist seit 2005 ein gemeinnütziger Verein und Mitglied im Weltladendachverband
Wir als Weltladenteam freuen uns über den Jubiläumskaffee, den es natürlich auch bei uns zu kaufen gibt und wünschen uns und allen Weltläden alles Gute und viel Erfolg für die nächsten 50 Jahre.
(Zitate: Stuttgarter Zeitung vom 01. 02. 2023)
Bruni Müllner
Über Bilder im Kopf und wie sie sich ändern
Zurzeit wird viel über „unser Bild“ von Afrika und den AfrikanerInnen geschrieben und diskutiert, über historischen Kolonialismus und aktuellen Rassismus, über Vorurteile und Stereotypen, über „harmlose Pappfigürchen“ und sogenannte „Sprechverbote“.
Als schon älterer Mensch spuken viele Bilder in meinem Kopf herum: Fotos von Albert Schweitzer in Lambarene. Bilder von hungernden Kindern. Bilder von wilden Tieren und „Serengeti darf nicht sterben“. Berichte über Entwicklungshilfe und verschwundene Gelder und Korruption. Nachrichten von „Befreiungsbewegungen“, Bürgerkriegen und undurchschaubaren Kämpfen.
Inzwischen sind andere „Bilder“ dazugekommen:
Dass es viele Projekte des fairen Miteinander gibt, aber auch unzählige Beispiele für Ausbeutung und Umweltzerstörung.
Dass die koloniale Ausbeutung noch immer existiert, auch wenn sie anders genannt wird.
Dass es viele afrikanische Initiativen gibt, um der Zerstörung der natürlichen Ressourcen durch den Klimawandel entgegenzuwirken.
Dass Afrika wie der ganze globale Süden (oft im wahrsten Sinne des Wortes) ausbaden muss, was der globale Norden – also wir – durch Industrialisierung und ungebremstes Wachstum angerichtet hat und noch immer anrichtet.
Anfang des Jahres haben drei MitarbeiterInnen an einer Reise in den Senegal teilgenommen und viele Eindrücke mitgebracht. Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Vereins Weltladen Flein- Talheim e.V. am Montag, dem 24. April, 19 Uhr im evang. Gemeindehaus, Kellergasse 25, werden sie den Mitgliedern und allen Interessierten davon berichten.
Hören wir ihnen und auch den Menschen vor Ort zu, denn nicht alles, was wir unter „Fortschritt“ verstehen, ist es für Menschen in anderen Regionen und Kulturen auch.
Lassen wir schon mal den senegalischen Aktivisten und Landwirt Ass Malik zu Wort kommen:
„Wir sind von der Sklaverei zum Neokolonialismus übergegangen. Der Senegal wird sich nicht mit Öl und Gas entwickeln können. Ich denke an die Zukunft meiner Kinder und deren Kinder. Wenn man Landwirtschaft betreibt, kann man auch ohne Geld in einer Krise überleben, weil man etwas zu essen hat.“
Und sein Traum für den Senegal?
„Ich stelle mir mein Land ohne die Ausbeutung von Gas, Öl und Zirkon vor. Die Fischerei und die Landwirtschaft sind als Wirtschaftsmotor meiner Region wieder sehr stark. Die Energieinfrastruktur für Solar- und Windenergie wurde durch unsere Bemühungen aufgebaut und wird von der lokalen Bevölkerung verwaltet.“
Interview unter: https://www.duh.de/aktuell/nachrichten/aktuelle-meldung/warum-im-senegal-
Bruni Müllner
Krieg – und kein Ende in Sicht?
Vor mehr als einem Jahr hat das große Russland seinen kleinen Nachbarn Ukraine überfallen. Warum?
Weil die UkrainerInnen und Ukrainer ihren alten Herrscher von Russlands Gnaden nicht mehr wollten?
Weil sie sich für Demokratie entschieden haben?
Und bei demokratischen Wahlen den Falschen wählten?
Weil sie „nach Europa“ drängen?
Seit mehr als einem Jahr herrscht Krieg in Europa. Warum?
Warum durfte das ukrainische Volk seine Staatsform nicht selbst wählen?
Warum sollen Ukrainerinnen und Ukrainer nicht so leben, wie sie möchten?
Warum wird ihr Land zur Strafe in Schutt und Asche gebombt?
Warum durfte in Russland der Krieg angesichts vieler toter Soldaten und Zivilisten nicht „Krieg“ genannt werden?
Warum wurden in russischen Städten protestierende Menschen verhaftet, selbst alte Frauen, die aus Protest ein leeres Blatt Papier hochhielten?
Warum haben tausende junge russische Männer Hals über Kopf ihr Land verlassen?
Warum segnen (angeblich) christliche Priester Waffen, die unschuldige Menschen töten?
Warum werden Bomben über Schulen, Krankenhäusern, Bahnhöfen, Wohnvierteln abgeworfen?
Warum haben so viele Menschen Angst, ihr Land könnte das nächste sein, das vom großen Russland überfallen wird?
Warum hat der Krieg weltweit so schreckliche „Nebenwirkungen“ wie Getreidemangel und Hunger in Afrika?
Warum glauben so viele Menschen bei uns der russischen Propaganda?
Warum gibt es in unserem Land viele, die Verständnis für „die Russen“ haben?
Warum nehmen viele Herrn Putin in Schutz?
Warum demonstrieren FriedensfreundInnen nicht vor der russischen Botschaft?
Aber auch:
Warum gibt es bei uns plötzlich so viele WaffenexpertInnen?
„Cäsar eroberte Gallien. Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei?“ fragte sich Bert Brecht
Warum also reden alle über Putin? Seine Befindlichkeit, seine Motive, seine Gründe?
Warum ist der Krieg „Putins Krieg“?
Warum gibt es von Herrn Putin nur noch Fotos mit versteinerter Miene?
Warum stehen im Hintergrund immer nur alte Männer in martialischen Uniformen?
„Warum irritiert niemanden die Verherrlichung von gesetzlich verbotenen privaten Militäreinheiten?
Und warum können diejenigen, die offen um die ukrainischen Kinder trauern, die während des Beschusses ums Leben kamen, einfach für mehrere Tage festgenommen werden?“ (ein russischer Korrespondent in der taz vom 24. 09. 2022)
Warum?
Bruni Müllner
Aus dem Regenwald am Amazonas in den Fleiner Weltladen
Der (noch) riesige tropische Regenwald im Amazonasgebiet ist von unschätzbarem Wert für den weltweiten Klimaschutz, und die unglaublich große Artenvielfalt gilt – unter anderem – als Apotheke für uns Menschen. Die fortschreitende Ausbeutung und Zerstörung dieses grandiosen Lebensraums beschleunigt nicht nur den weltweiten Klimawandel, sondern bedroht auch unzählige Tier- und Pflanzenarten sowie viele indigene Gemeinschaften mit ihrem kostbaren Wissen über die Schätze der Natur.
Das Regenwaldinstitut – mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein?
Bereits im September 1998 wurde von neun Wissenschaftlern aus den Bereichen Agrartechnologie, Biologie, Informatik und Medizin das Regenwald-Institut, Institut für angewandten Regenwaldschutz e.V. gegründet. Der Sitz des Instituts ist Freiburg im Breisgau, das Regenwald-Institut ist als gemeinnützig anerkannt.
„Aufgaben des Vereins sind die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie von Projekten mit dem Ziel eines nachhaltigen und ganzheitlichen Schutzes der Regenwälder. Die Interessen der indigenen oder sonstiger Bevölkerungsgruppen, die im Regenwald siedeln, werden gewahrt und soweit diese dem Schutz ihres Lebensraums dienen, gefördert.“ (Quelle: homepage Regenwaldinstitut)
Um den Stand der Forschung weiterzuentwickeln, werden alle Projekte wissenschaftlich begleitet, die Ergebnisse ausgewertet und publiziert.
Ein Projekt von vielen ist der Kauf eines unberührten, mehrere qkm großen Regenwaldgrundstückes, das zusammen mit der nahegelegenen Dorfgemeinschaft nachhaltig genutzt wird. Die Bewohner sammeln Früchte, Samen, Harze, Pflanzenfasern etc., verarbeiten sie vor Ort zu hochwertigen Produkten und haben so langfristig ein verlässliches Einkommen.
Der Regenwaldladen als „Ableger“
„Der Regenwaldladen ist ein Projekt des Instituts und integrativer Bestandteil unserer Philosophie. Er ist der Link zum wirtschaftlichen Erfolg der Projekte, ohne den die Projekte nicht lebensfähig sind …Da er wirtschaftliche Ziele verfolgt, ist der Regenwaldladen als eigenständige Firma ausgegliedert, um die Gemeinnützigkeit des Instituts nicht zu gefährden.“(Quelle: homepage Regenwaldladen)
Der Regenwaldladen fungiert als Fair-Handels-Importorganisation für nachhaltige Regenwaldprodukte. „Durch die komplette Produktion vor Ort erfolgt dort die Wertschöpfung und der Aufbau neuer Sozial- und Wirtschaftsstrukturen, die dringend nötig sind, um die Wälder am Amazonas zu erhalten. Die lokale Verarbeitung sichert das Überleben der Bewohner im Wald, und es entstehen weitere Arbeitsplätze im urbanen Bereich.“ (dito)
Den Weg in die Weltläden finden Produkte im Bereich der Kosmetik und Körperpflege, die die Vielfalt und das Wissen um die natürlichen Kräfte der Bäume und Pflanzen nutzen, aber auch Kunsthandwerk, Lebensmittel wie Kakao, Chili und Trockenfrüchte und vieles mehr.
„Endstation“ Weltladen Flein
Im Fleiner Weltladen gibt es vor allem Produkte der Körperpflege wie Seifen und Hautöle, die „nebenbei“ oft auch heilende und stärkende Eigenschaften haben. So nutzt die indigene Bevölkerung „unser“ Andirobaöl unter anderem auch als Mückenschutz und gegen muskuläre Verspannungen. Die Seifen aus der Sementes-Reihe verwöhnen, und die Natur-Haarseife mit wertvollen Ölen hat auch bei der Stiftung Warentest überzeugt.
Bruni Müllner